Künstlerkolonie Willingshausen hat Stipendiaten ausgewählt
Joey Arand und Robert Sturmhoevel erhalten 2017 ein Arbeitsstipendium in der Künstlerkolonie Willingshausen. Willingshausen in der Schwalm gilt als die älteste Künstlerkolonie Europas und steht in der Tradition von so großen romantischen Malern wie Ludwig Emil Grimm, Wilhelm Thielmann, Carl Bantzer oder Otto Ubbelohde. 2017 aber zieht Joey Arand in das Dorf, wird dort drei Monate arbeiten und ihre Ergebnisse im Mai in der Kunsthalle zeigen. Ihr wurde jetzt das 44. Arbeitsstipendium für junge Künstlerinnen zugesprochen. Zweiter Stipendiat 2017 ist Robert Sturmhoevel. Er beginnt im September und wird seine Stipendiaten Ausstellung im Dezember haben.
Joey Arand reist sehr gerne, aber nicht um Urlaub zu machen, sondern um neue, andere Menschen und ihre Kulturen kennenzulernen. So hat sie Monate auf den französischen Inseln Réunion, in Indien und im Iran verbracht. Immer hat sie dort existentielle Themen aufgenommen, an denen sich Grundwerte des kulturellen Verhaltens formuliert. Im Iran war es das Kopftuch oder vielmehr das verborgene Haar, das sie in intimen Frauenporträts diskutierte. Immer recherchiert Joey Arand sehr genau, so dass ihre künstlerischen Arbeiten, meist Fotografien und Filme aber auch Installationen, ihre Kraft und Poesie aus dokumentarischem Material entwickeln. Zurück in Kassel nahm sie das Thema auf, lies sich von verschiedensten Menschen Haare geben und sich Geschichten dazu aufschreiben. Sie setzte sich dann in der GrimmWelt Kassel eine Woche lang an ein Spinnrad, um daraus Fäden zu machen und schließlich ein Kopftuch zu weben.
Aus der Erfahrung der Fremde heraus will Joey Arand sich in Willingshausen mit dem Begriff Heimat auseinandersetzen. Als Gegenstand hat sie sich Spieleteppiche gewählt, wie man sie aus dem Kinderzimmer kennt. Im Gespräch mit Bewohnern der Umgebung, Kindern wie Erwachsenen, will sie Motive von Orten, Situationen, Geschichten, Landschaften, etc. finden, die sich im wörtlichen Sinne „verknüpfen“ lassen.
Robert Sturmhoevel ist ein „richtiger Maler“, wie sich die Malerkolonie ihn als einen modernen Künstler immer schon nach Willingshausen gewünscht hat. Er schaut sich in der Welt um, um „malerische“ Motive zu finden und beherrscht sein Handwerk perfekt. So will er sich in den drei Monaten auch vor Ort umsehen.
Aber Robert Sturmhoevel malt nicht ab, was er sieht. Vielmehr entwickelt er Erzählungen auf der Leinwand anhand der „gefunden“ Objekte, Menschen, Orte und Situationen, die er illusionistisch zitiert und gleichzeitig auflöst in eine Malerei als Malerei. So liegt in „pieces 04 (matchbox), 2016, auf seinem mit Farbresten verschmierten Atelierboden ein Kinderspielauto auf dem Rücken, natürlich wiedergegeben, neben seiner „Untermalung“ und schließlich einer Fläche, die sich aus dem Umrisse des Autos ergibt. So gibt es eine Serie von Leinwänden, die er „final shiny dots“, 2014, nennt, auf denen jeweils nur der Abstrich einer Farbe auf der Leinwand zu sehen ist – als Motiv. So löst sich in "inner child 03 (dandy)", 2016, die einfarbig aber dreidimensional wiedergegebene Figur eines Jungens vertikal in eine Fläche auf. Der Schatten der Figur auf der realistisch wiedergegebenen Wand, an der der Junge lehnt, ist deutlich „nur“ ein Pinselstrich.
Das Arbeitsstipendium in der Künstlerkolonie Willingshausen wird getragen von der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen, dem Kulturförderprogramm der SV Sparkassenversicherung, der Kreissparkasse Schwalm-Eder, der Gemeinde Willingshausen und dem Schwalm-Eder-Kreis. Es beinhaltet je drei Monate Arbeitsaufenthalt mit Wohnung, Atelier und einer finanziellen Unterstützung, die Ausstellung der Ergebnisse der entstandenen Arbeiten in der Kunsthalle des Gerhardt-von-Reutern-Haus in Willingshausen und eine Unterstützung für die Produktion eines Katalogs.
Zur Person: Die Künstlerin Joey Arand, 1990 in Karlstadt geboren, studierte Film bei Jan Peters und Volko Kamensky sowie Trickfilm bei Martina Bramkamp an der Kunsthochschule Kassel. 2013/14 erhielt sie ein Reisestipendium des Deutsch-Französischen Jugendwerks, das sie auf die Inseln Réunion führte, 2015/16 Hessische Filmförderung, 2016 Reisekostenunterstützung der Universität Kassel (SHOSTA), was sie in den Irak führte, und 2016 das Otto-Braun-Stipendium. Sie war mit ihren Filmen u.a. vertreten auf dem Kasseler Dokumentarfilm und Videofest, dem Hessischen Hochschulfilmtag, GoEast Wiesbaden und im Filmmuseum Frankfurt. Den 1.Platz des Bundesjugendfestival Film 2015 erhielt sie für „Video der Generationen“, den 1.Platz der Jugendstiftung Mainspessart 2016 für „Justi“. Seit 2015 sind Ihre Arbeiten auf Ausstellungen zu sehen, u.a. in Kassel, Hamburg und Hannover, zuletzt ihre Aktion „Haartuch“ im Rahmen von „im Dickicht der Haare“ in der Grimm Welt Kassel. Joey Arand lebt und arbeitet in Kassel.
Zur Person: Robert Sturmhoevel , 1983 in Berlin geboren, studierte 2006-2013 Bildende Kunst an der Kunsthochschule Kassel bei Alf Schuler und Florian Slotawa und war 2014 Meisterschüler bei Johannes Spehr. 2015 erhielt er den Kasseler Kunstpreis der Dr. Wolfgang Zippel Stiftung. Er war mit seinen Arbeiten seit 2009 in verschiedenen Gruppenausstellungen vertreten, u.a. in Kassel, Offenbach, Karlsruhe, Hamburg, Berlin und London. Er wird vertreten von der Galerie Evelyn Drewes, Hamburg/Berlin, wo er 2013 mit „fleet’n [play] yard“, 2014 mit „walk down memory lane“, 2016 mit „peccadillo [frame] tales“ Einzelausstellungen hatte. Robert Sturmhoevel lebt und arbeitet in Kassel.