Ausstellung: Thilo Jenssen New Energy

23.06.2016 – 24.07.2016

Ausstellung: Thilo Jenssen New Energy

Fast hätte Thilo Jenssen sein Arbeitsstipendium in Willingshausen nicht antreten können. Bei einem Besuch des jüdischen Friedhofs in Wien, wohin er nach dem Ende seines Studiums an der Kunsthochschule Kassel gezogen war, hatte sich ein Grabstein gelöst und ihm ein Bein zerschmettert. Aber dann las er, dass Gerhardt von Reutern nach Willingshausen kam, um sich von dem Verlust seines rechten Arms in der Schlacht von Leipzig (1813) zu erholen, und dass aus diesem Aufenthalt die Malerkolonie Willingshausen entstand. Er beschloss, seine Verletzung als Parallele und Schicksalszeichen zu verstehen und bezog verspätet und auf Krücken sein Atelier im Gerhardt von Reutern Haus.

Kurioserweise sind Verletzung, Hilfe und Genesung seit längerem sein Thema. „Stabile Zustände“ heißt ein Werkkomplex (2014), in dem er sich mit Anweisungen zur Ersten Hilfe aus medizinischen Broschüren befasst, Maßnahmen, die nicht wirklich helfen aber in der Katastrophe erstmal Ruhe schaffen und vielleicht Schlimmeres verhindern. Ihn interessieren dabei nicht nur die existentiellen Zustände sondern auch deren ästhetische Form, d.h. die Körperhaltungen und Choreografien, die sie erzeugen.

Thilo Jenssens zweites Interessenfeld ist die intensive Beschäftigung mit Fragen der Malerei als Malerei und ihrer begrifflichen Erweiterung. Seine monochromen Bilder „fetish finish failures“ (2015) bestehen aus mehreren labil übereinander gelagerten Farbschichten, die er mit Klarlack versiegelt. Weder auf der Leinwand noch im Auge des Betrachters entsteht so eine definierbare farbliche Erscheinung.

Die Entscheidung, doch nach Willingshausen zu gehen, hat ihn verführt, diese Ambivalenz, das Ungreifbare und Unbegreifbarkeit durch das Versprechen von „New Energy“ zu ersetzen. Die Malereien haben jetzt klare leuchtende Farben und geben Farbverläufe wieder, die assoziativ vereinfachte Landschaften von blauem Himmel, blühend gelben Rapsfeldern und grünen Wäldern und Wiesen wachrufen. Diese finden sich sehr plakativ in den Fotografien, die er auf PVC-Folien wie Werbung auf Lastwagenplanen ausgedruckt hat. Lediglich auf den monochromen Bildtafeln, die Thilo Jenssen auf Krücken ähnlichen Ständern in den Raum stellt, „ist alles klar“. Darüber hinaus hat er Energy Drink Dosen mit einer Schwälmer Sommerlandschaft überdruckt. Ihr jetzt anonymes Versprechen von „New Energy“ lösen Heizstrahler ein, die einzelne dunkle Leinwände, die das Bunt im Raum stören, erwärmen und so die thermisch reagierenden Farbschichten von schwarzen in farbige Oberflächen verwandeln. Alles wird – nein: ist gut.

Thilo Jenssen

1984 in Daun geboren, hat von 2006 -2014 an der Kunsthochschule Kassel und der Universität Kassel Kunst und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien und Bildende Kunst bei Florian Slotawa und Christian Phillip Müller studiert. 2015 erhielt er das Otto-Braun-Stipendium. Seit 2011 waren seine Arbeiten u.a. in Kassel, Dresden, Bremen und Manchester, zu sehen, zuletzt mit "bis gleich, bis gleich" in Berlin. Thilo Jenssen lebt und arbeitet in Wien.

Das Arbeitsstipendium in der Künstlerkolonie Willingshausen wird getragen von der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen, dem Kulturförderprogramm der SV Sparkassenversicherung, der Kreissparkasse Schwalm-Eder, der Gemeinde Willingshausen und dem Schwalm-Eder-Kreis.

Thilo Jenssenist 42. Stipendiat des Arbeitsstipendiums in der Künstlerkolonie Willingshausen.

Es beinhaltet je drei Monate Arbeitsaufenthalt mit Wohnung, Atelier und einer finanziellen Unterstützung, die Ausstellung der Ergebnisse der entstandenen Arbeiten in der Kunsthalle Willingshausen und eine Unterstützung für die Produktion eines Katalogs.

Eröffnung am 23. Juni um 19 Uhr

Dauer der Ausstellung 24. Juni bis 24. Juli 2016




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