Rundgangpreise 2025 vergeben

Die Rundgangpreise der Kunsthochschule Kassel wurden am Samstagnachmittag (26.07.25) verliehen.

Die Kunsthochschule Kassel vergibt jährlich im Rahmen der Jahresausstellung mit Unterstützung ihrer langjährigen Preisstifter*innen Preise an Studierende der Kunsthochschule. Mit der Preisvergabe werden die Arbeiten der Studierenden geehrt, die sie anlässlich des Rundgangs präsentieren.

Eine Fachjury, bestehend aus Ayşe Güleç (Pädagogin, Autorin, Kuratorin, Kunstvermittlerin, forschende Aktivistin), Dr. Aykan Safoğlu (Künstler) und Prof. Dr. Alena Williams (Fachgebiet Theorie und Vermittlung von Gegenwartskunst, Akademie der bildenden Künste Wien), zeichnete studentische Arbeiten mit dem Birgitt-Bolsmann-Preis, dem Preis der SV SparkassenVersicherung Holding AG und dem Preis der Mitarbeitenden der Kunsthochschule Kassel aus.

Preisträger*innen 2025 – Jurybegründungen:

Preis der SV SparkassenVersicherung (2.500 Euro)

Still There, Berfin Topal (1.250 Euro)
Seit 1995 versammeln sich jeden Samstag kurdische Familien auf dem Galatasaray-Platz in Istanbul, um Rechenschaft über den Verlust ihrer Angehörigen zu fordern, die vom türkischen Staat entführt und ermordet wurden. Diese trauernden Demonstrant*innen widersetzen sich einer einfachen Darstellung und trotzen der Fragmentierung durch die Polizeibarrikaden, die 2018 auf dem Platz errichtet wurden. Auch Berfin Topals Zeichnungen trotzen dieser Fragmentierung und spannen einen Bogen über Zeit und Raum auf die vergängliche Oberfläche des Papiers. Das Werk verwebt verschiedene Zeiten und Räume auf wunderschöne Weise miteinander und steht als Akt der Versöhnung gegen die Ungerechtigkeiten der Geschichte. Im Zentrum von Still There sticht die Mutter Emine Ocak, die letzte Woche verstorben ist, mit ihrem erschütternden Gesichtsausdruck hervor. Als Zeugin der Gewalt der Zeit ist ihre Forderung nach Gerechtigkeit für den Mord an ihrem geliebten Sohn Hasan Ocak und vielen anderen kurdischen Kindern eine starke Laudatio auf die Widerstandsfähigkeit kurdischer Frauen und ihre feministische Bewegung, die sich dem Frieden verschrieben hat. Topals Praxis ist auf die Handlungsfähigkeit unserer Zeit abgestimmt.

ein kinderspiel, robyn / sarah bach (1.250 Euro)
ein kinderspiel ist eine Arbeit, die sich mit Transparenz auseinandersetzt. Eine Figur mit verbundenen Augen findet sich in einer Reihe von Bildern wieder. Über einen dieser Drucke ist eine weitere Perspektive gelegt: Kinder, die während des „Hessentags“ 2024 in der Stadt Fritzlar auf einem Militärpanzer spielen. Die vielschichtige Siebdrucktechnik stört den Darstellungsraum und verkompliziert die visuelle Bedeutung des Werks. Farbe und Zusammenarbeit werden für die Künstlerin robyn / sarah bach zu einem „kinderspiel“. Diese Technik spricht nicht nur die Möglichkeit des Kontakts an, sondern auch die Tarnung als politische Praxis der Verschleierung. Durch siebgedruckte Palimpseste projiziert sie die Gegenwart auf die Vergangenheit und kontrastiert die Ernsthaftigkeit der Kindheit mit der Absurdität der modernen Kriegsführung. Die Undurchsichtigkeit des Blicks bleibt die zentrale Frage von ein kinderspiel – seine Ausrichtung ist getarnt. Dieses Gefühl der Tarnung – seine Textur – deutet auf mögliche Ausstiegsstrategien hin, weg von hegemonialen Regimen des Schauens und Sehens.

Preis der Mitarbeitenden der Kunsthochschule Kassel (1.100 Euro)

Ekstase in fünf Stufen, Mel Reckert (550 Euro)
Die Jury befand, dass die formalen Experimente in Ekstase in fünf Stufen eine faszinierende Verwendung von gewebten Materialien darstellen. Das Gemälde, das zu einer Reihe zusammenhängender Rahmen erweitert wurde, verwandelt den zweidimensionalen Raum der Bildfläche in eine multidimensionale Erkundung der Zeit. Am beeindruckendsten ist die Art und Weise, wie das Werk die Betrachtenden ausdrücklich dazu einlädt, ihren Körper auf das Werk auszurichten. Die Performance wird zu einer wahrnehmungsbezogenen Herangehensweise in Reckerts Malpraxis, die Opazität zu einer akuten politischen und phänomenologischen Erfahrung macht.

Magic Gulyás, Áron Farkas (550 Euro)
Die Fiktion belebt die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft. In überzeugenden Vertrauensakten beschäftigen sich zwei Figuren mit spielerischen Freizeitaktivitäten und entwickeln langsam eine tiefere Verbindung zueinander. Durch den unkonventionellen Einsatz von Farbe und filmischen Techniken überzeugt der Künstler die Betrachtenden davon, dass ihre Bewegungen keine Illusion sind. Wir nehmen sie wahr, als wären wir in die Schönheit seltsamer Details eingetaucht. Die Gesellschaft mag ihr Verhalten als rebellische Lust betrachten, doch der Künstler beweist uns, dass „Wut“ so viele schöne Schattierungen und Gesichter hat.

Birgitt-Bolsmann-Preis (1.100 Euro)

FMS, Linda Deuse (550 Euro)
Linda Deuse widmet ihre Arbeit dem Thema Fibromyalgie-Syndrom – oder F.M.S., wie der Titel der Installation lautet. Diese besteht aus einem Wandtext und enthält eine detaillierte Liste der Symptome der Krankheit. Deuse untersucht die Auswirkungen des FMS sowohl aus medizinischer als auch aus persönlicher Sicht. Zu diesem Ansatz gehört auch ein Gemälde einer jungen Frau, die in einem grünen Sessel sitzt und uns ansieht. Neben dieser räumlichen Installation gibt es eine Publikation mit Fotos, die von kurzen Texten begleitet werden, die den Alltag mit FMS beschreiben. Diese Verflechtung und Zusammenführung der persönlichen, medizinischen und sozialen Perspektiven durch die Ausdrucksformen Malerei, Tagebuch und Wissenschaft spricht für die Fragilität und Widerstandsfähigkeit des Alltags.

Expulsión 1, Expulsión 2, Expulsión 3, Claudia Duensing (550 Euro)
Inmitten einer Ansammlung von Haushaltsgegenständen – einem Nachttisch mit Topfpflanzen, Nagelknipsern, leeren Medikamentenverpackungen, persönlichen Accessoires, einem aus Holz geschnitzten Tier und einer Reihe von Nippes und altem Spielzeug – befinden sich drei unerwartete Zeichnungen. Drei Tuschezeichnungen in schlichten, unscheinbaren Rahmen zeigen intime Geburtsszenen. Das Ungewöhnliche daran ist, dass die Installation hier ohne die typischen Möbelstücke – ein Bett, eine Kommode oder Schubladen – präsentiert wird. Dennoch lassen sie die Anwesenheit der Mutter erahnen und spiegeln das Erwachen des Lebens und den transformativen physiologischen Zustand des Körpers und der Mutterschaft wider, die mit der Geburt eines (zweiten) Menschen verbunden sind.

Besondere Erwähnung

Träumen Am Stern, Janis Schmidt
Die Kamera schwenkt über eine belebte Kreuzung – eines der sozialen Zentren der Stadt Kassel –, während aus dem Off Interviews mit Einheimischen zu hören sind. Die Synergie zwischen Bild und Ton fängt einen liminalen Moment in der Abenddämmerung ein und eröffnet einen rhetorischen Raum des Nachdenkens und der Reflexion – was Schmidt als „Ort des Dazwischen“ beschreibt. Aus einer Perspektive der Distanz und Neugierde lädt die Ambivalenz des Films zu einer Diskussion über die Ethik des sozialen Engagements und der Beobachtung, eben über das „Dazwischensein“ ein. Die Jury war besonders beeindruckt von der Auseinandersetzung des Films mit dem Thema Träumen und der Art, wie seine atemberaubende Kameraführung die Wünsche der Kasseler Einwohner*innen der sozialen und materiellen Realität der Stadt gegenüberstellt.


Rundgang der Kunsthochschule Kassel 2025 – eXtase
Der Rundgang 2025 (24. bis 27. Juli) wurde von einem interdisziplinären Studierendenteam unter der Leitung von Prof. Bjørn Melhus (Klasse für Virtuelle Realitäten) konzipiert und umgesetzt. Herzlichen Dank an die Jury für ihre Arbeit und an die Preisstifter*innen! Ein weiterer besonderer Dank geht an das studentische Orga-Team des Rundgangs: Chantal Barkhüser und Konrad Winter sowie an die Gestalter*innen der visuellen Identität der Jahresausstellung: Olivia Völlnagel, Newroz Agnes Ayalp, Marie-Luise Fichtner.