„Ich sehe mich als künstlerisch, politisch und vermittelnd handelnde Person“
In der Göttinger Kunstszene wurde 2022 eine wichtige Leitungsposition besetzt: Johanna Brummack ist neue Leiterin der Kunstvermittlung des Kunstvereins.
Die Kunstvermittlung stellt für Brummack einen Handlungsraum für das Hinterfragen und Reflektieren dar: „Ich finde es wichtig, dass kunstvermittelnde Akteur:innen sich kritisch mit historischen und gegenwärtigen Diskursen über die Produktion und Rezeption von Kunst und Bildung auseinandersetzen. Besonders spannend sind queer-feministische und dekoloniale Perspektiven auf Kunstgeschichte, da sie uns viel über widerspenstiges Wissen und machtkritische Strategien lehren können“, erklärt die Kunstvermittlerin.
Brummack studierte auf Lehramt Kunst und Französisch an der Kunsthochschule und Universität Kassel. Nach ihrem Lehramtsstudium fing sie an, bei Johanna Schaffer (Theorie und Praxis, Visuelle Kommunikation) und Bjørn Melhus (Virtuelle Realitäten, Bildende Kunst) zu studieren, um ihren künstlerischen Abschluss zu machen. „Noch während meines Lehramtsstudiums habe ich bei Bjørn Melhus, Kerstin Honeit und Johanna Schaffer studiert, die mich immer darin bestärkten, den künstlerischen Abschluss zu machen", sagt Brummack.
Als Leiterin der Abteilung Bildung und Vermittlung ist sie für die Konzeptualisierung und Durchführung verschiedener Vermittlungsformate zuständig. Für ihre Arbeit bringt sie jahrelange Erfahrung u. a. im Bereich der Kunstvermittlung mit, die ihr sehr am Herzen liegt. Bereits während ihres Studiums konnte sie wertvolle Erfahrungen sammeln: „Beispielsweise hatte ich die Möglichkeit, im Atelier frei zu arbeiten und in den Studienwerkstätten mit Materialien und Techniken zu experimentieren. Ich konnte mich ausprobieren, um auf diese Weise meine eigene künstlerische Praxis zu entwickeln“, erinnert sich Brummack. Ein Teil dieses Prozesses sei es gewesen, Kunst und Pädagogik stärker aufeinander zu beziehen, da diese Bereiche ineinandergreifen und sich ergänzen würden. Auf die Frage, ob sie sich als Lehrerin oder Künstlerin sieht, antwortet Brummack: „Ich sehe mich als künstlerisch, politisch und vermittelnd handelnde Person“.
Jährlich entwickelt sie als Leiterin ein Vermittlungsprogramm, das sich am Ausstellungsprogramm orientiert. Dazu gehören bis zu drei größere Kooperationsprojekte mit Schulen sowie mehrere kleinere Workshops. Mit diesen Projekten soll den Teilnehmenden der Zugang zu zeitgenössischer Kunst und zum eigenen kreativen Handeln eröffnet werden: „Deshalb verfolge ich handlungsorientierte, partizipatorische und integrative Ansätze. Die Projekte beinhalten eine Interaktion mit den Ausstellungsinhalten und einen praktischen Teil, in dem die Teilnehmenden selbst eingebunden werden, um mit künstlerischen Methoden und Strategien zu arbeiten“, erklärt die Kunstvermittlerin. Integrative Arbeit stehe hier im Fokus, man wolle Menschen aus allen Gesellschaftsbereichen ansprechen und gleichzeitig auch Barrieren abbauen.
Brummacks Aufgaben als Kunstvermittlungsleiterin sind sehr komplex. Neben der Programmentwicklung ist sie auch für Koordination, Netzwerkarbeit, Mittelakquise und Projektdokumentation zuständig. Zur Letzteren äußert sie: „Für mich ist die Projektdokumentation ein wesentlicher Teil unseres Arbeitsbereichs. Denn wenn Projekte gut dokumentiert und zugänglich sind, wird unsere Arbeit sichtbar und begreifbar“. Sie ergänzt: „Viele Menschen wissen nämlich gar nicht, was mit Kunstvermittlung gemeint ist und sehen daher auch nicht ihren Wert.“
Autonomie und Komplexität in der Vermittlungsarbeit seien von großer Bedeutung: „Als Vermittler*innen künstlerischer Inhalte bewegen wir uns immer in komplexen Systemen und navigieren zwischen verschiedenen Akteur*innen innerhalb dieser Systeme. Dabei sind wir meistens auf uns selbst gestellt und handeln autonom“, so die Kunstvermittlerin. Sie setzt fort: „Wenn ich eine Ausstellungstour leite, bin ich in dem Moment verantwortlich dafür, wie ich das Ganze inhaltlich gestalte. Gleichzeitig befinde ich mich aber immer in Abhängigkeit von verschiedensten Faktoren, wie beispielsweise der Institution, für die ich arbeite. Im Kunstverein Göttingen entscheidet sie die meisten inhaltlichen Fragen selbst, z. B. den Aufbau der Vermittlungsformate. „Wir sind eine eher kleine Institution und kommunizieren direkt miteinander. Dadurch, dass das Zwischenmenschliche im Team passt, laufen die Prozesse reibungslos ab“, freut sich Brummack.
Derzeit arbeitet Brummack an einem Kooperationsprojekt mit der Universität Göttingen, dem Museum Friedland und dem Berliner Ausstellungsbüro Die Exponauten. Es handelt sich um die Ausstellung „Moving Things“, welche sich mit Flucht- und Migrationsgeschichten bestimmter Objekte beschäftigt. Die Ausstellung wird vom 27.10.2022 bis zum 15.01.2023 im Forum Wissen gezeigt.
Brummack wurde dieses Jahr für den Kunstpreis Deutschland nominiert.
(Text: Çiğdem Özdemir)
Links:
www.kunstvereingoettingen.de
johannabrummack.com