Die Kunstwissenschaft ermittelt: Die Kunsthochschule in fünf Jahrzehnten (1910–1960)
Die Forschung der Kunstwissenschaft (Prof. Kai-Uwe Hemken) zur Geschichte der Kunsthochschule Kassel nimmt wieder Fahrt auf: Nachdem die Pandemie die Aktivitäten (Archivbesuche, Interviews, Bibliotheksrecherche) massivst ausgebremst hatte, hat Prof. Hemken mit Unterstützung seiner Assistentin Constanze Venjakob (M.A.), erneut eine Gruppe von Studierenden der Kunstwissenschaft versammelt, um die Geschichte der Kunsthochschule der Jahre von 1910 bis 1960 zu erschließen. Die vorangegangenen Forschungen, die ebenfalls mit einer Studierendengruppe im Rahmen eines Projektseminars von Prof. Hemken bewerkstelligt wurden, werden nun durch erste weitere Erkenntnisse komplettiert.
In Stichworten lässt sich bereits angeben, dass Carl Bantzer, ehemaliger Direktor, unter Druck der damaligen Studierenden und unter dem Eindruck der Novemberrevolution den Studierenden ein größeres Mitspracherecht eingeräumt und ein Programm zur Unterstützung der Studierenden (Preise, Ausstellungen) eingerichtet hatte. In den 1920er Jahren war die Akademie in Kassel nicht nur eine Hochburg des Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit in Deutschland, sondern galt neben den Akademien in Berlin, Breslau, Düsseldorf und Königsberg als eine der fortschrittlichsten Ausbildungsstätten für angehende Künstler:innen. Ein Prädikat, das seitens des Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung in Berlin explizit benannt wurde. Dass die Kunsthochschule zur Zeit des Nationalsozialismus aufgrund vorangegangener Sparmaßnahmen seitens des Ministeriums geschlossen wurde, entspricht nicht den Tatsachen: Vielmehr wurde im Frühjahr 1935 ein NS-Stipendienprogramm von Elitestudierenden eingerichtet, die aus dem gesamten Staatsgebiet stammten. Prof. Kay Nebel hatte dieses Programm gemeinsam mit dem für diese Aufgabe speziell nach Kassel entsandten Prof. Ludwig Thormaehlen (zuvor Kronprinzenpalais) realisiert. Einer der damaligen Stipendiaten schaffte es dreimal in die Große Deutsche Kunstausstellung nach München und wurde mit einer ganzseitigen Abbildung in einer damaligen propagandistischen Kunstzeitschrift bedacht.
In den 1950er Jahren zählten eine Reihe von Avantgardisten der 1920er Jahre zum Kollegium, zum Beispiel Hans Leistikow, Fritz Winter und Theo Otto. Es fand eine intensive Ausstellungstätigkeit (in enger Zusammenarbeit mit dem Kunstverein Kassel) statt, die auf ein vergleichbares Engagement in den 1920er Jahren verweisen konnte und bereits vor der ersten documenta stattgefunden hatte. Eine Präsentation mit Arbeiten von Studierenden und Professor:innen fand parallel zur ersten documenta im Kunstverein statt. Nicht unerwähnt darf bleiben, dass damals auch ein besonderes Begleitprogramm realisiert wurde, in dessen Rahmen Vorträge von Johannes Itten und Tut Schlemmer angeboten wurden. Auch die legendäre Ausstellung ‚Die gute Form‘ (Max Bill) war in den Räumen der damaligen Werkakademie (später Kunsthochschule) zu sehen.
Die Forschungen der Kunstwissenschaft in Kassel finden Unterstützung durch nicht wenige Einrichtungen und Persönlichkeiten in ganz Deutschland, u. a.: Landesmuseum Kassel, Stadtarchiv Kassel, Staatsarchiv Marburg, Von der Heydt Museum Wuppertal, Stiftung Thormaehlen, Kunsthalle Kiel.