Was mich antreibt – Katrin Esser

Ich arbeite im Rahmen der Graduiertenschule für Bewegtbild (GBB) der Kunsthochschule Kassel an einem dokumentarischen Film zum Thema demenzielle Erkrankungen. Die Erfahrungen von Betroffenen und Angehörigen sind so individuell und komplex, dass ich mich für eine persönliche Perspektive entschieden habe. Protagonistin meines Films ist die Pflegerin meiner an Alzheimer erkrankten Mutter. Sie hat bis zum Tod meiner Mutter über ein Jahr alle zwei Monate für zwei Monate bei meinen Eltern gelebt. Ich möchte diese Pflegeform – vor allem die Arbeit solcher Pflegerinnen – sichtbar machen. Denn es braucht hier viele Veränderungen. Mein Film soll den Zwiespalt zwischen der Not der Betroffenen und ihrer Angehörigen sowie die Notwendigkeit eines solchen Angebots einerseits und den äußerst problematischen Arbeitsbedingungen andererseits vermitteln. Mein Film hat keinen Objektivitätsanspruch; er setzt sich vielmehr aus Fragmenten zusammen, ist nicht linear, sondern assoziativ – wie eine Spurensuche danach, welche Empfindungen und Bedürfnisse Betroffene haben und was würdevolle Pflege ausmacht. Unter „künstlerischer Forschung“ können sich viele erstmal nichts vorstellen. Die Gemeinsamkeit zum wissenschaftlichen Arbeiten liegt für mich in der intensiven Auseinandersetzung mit selbstgewählten Fragestellungen, auch in der umfassenden Recherche, die meiner Arbeit vorausgeht. Ich habe mich monatelang mit Fachliteratur und Interviews zu meiner Thematik auseinandergesetzt. Aber das Resultat ist eben ein anderes: Eine künstlerische Arbeit hat eine andere, offenere Form, die Raum für vielfältige Interpretationen schafft.

Ich kam 2021 an die GBB, weil ich kein klassisches Meisterschülerstudium in einem institutionellen Rahmen machen wollte. Nach meinem Studium in Leipzig war ich bereits als freischaffende Künstlerin tätig und hatte mir schon ein Netzwerk aufgebaut. Daher haben mich die offenen Strukturen der GBB angesprochen. Hier stehen der Austausch sowie unsere Wünsche und Ideen im Fokus. Das Tolle an der Kunsthochschule Kassel und dem Land Hessen ist, dass hier junge Filmschaffende und filmische Arbeiten besonders gefördert werden. Der Film über demenzielle Erkrankungen wird meine Abschlussarbeit. Es war ein wahnsinniger Luxus, zwei Jahre Zeit zu haben, um in einem so unterstützenden Netzwerk an einem Projekt arbeiten zu können – das haben Künstlerinnen und Künstler meistens nicht.

(Dieser Beitrag erschien im Universitäts-Magazin publik 2023/3. Protokoll: Lisa-Maxine Klein)

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