32. Hessischer Film- und Kinopreis vergeben
Nach einem Jahr ohne Gala wurden am Freitagabend (22.10.21) die 32. Hessischen Film- und Kinopreise im Capitol in Offenbach vergeben. Auch Absolventen der Kunsthochschule Kassel erhielten Auszeichnungen.
Der Preis in der Kategorie bester Hochschulfilmpreis ging an Tobias Sauer (Klasse Film und bewegtes Bild) für seinen Film „Die Kafka-Konferenz, oder: Dubček geht baden“. Der Preis ist mit 7.000 Euro dotiert.
Der Animationsfilm „Der Lokführer" wurde als bester Kurzfilm geehrt. Zuniel Kim und Christian Wittmoser (Alumni der Kunsthochschule). Der Preis ist mit 4.000 Euro dotiert.
Regisseur Aliaksei Paluyan (Alumnus, Klasse Film und Fernsehen) wurde dieses Jahr mit dem hessischen Newcomerpreis ausgezeichnet, der mit 7.500 Euro dotiert ist.
Die Jurybegründungen:
„Die Kafka-Konferenz, oder: Dubček geht baden“
„1960. Ein angehender Schriftsteller und ein künftiger Filmregisseur wollen zusammen ein Drehbuch schreiben. Sie begeben sich auf Kafkas Spuren.“ So beginnt der Prolog des essayistischen Dokumentarfilms „Die Kafka Konferenz“ von Tobias Sauer. Und dass diese beiden Nachwuchskünstler zwei der klangvollsten Namen der jüngeren tschechischen Hochkultur tragen – nämlich Vaclav Havel und Milos Forman – ist symptomatisch für Wendungen und Überraschungen dieser Tour d‘Horizon durch die Geschichte eines Landes, dessen besondere Stellung in Politik und Kultur im Zentrum steht.
Der Film ist eine Materialschlacht, die keine Mühe macht und stets zu Erkenntnissen führt. Ein freundlicher Recherche-Riese, der mit Klugheit und Kreativität geschmückten Sieben-Meilen-Stiefeln leichtfüßig durch ein Gelände zwischen Investigation und Assoziation marschiert. Tatsächlich sprengt dieser Film jeden Rahmen. Den eines klassischen Hochschulfilms ebenso wie den eines klassischen Dokumentarfilms. Er erfindet sich ständig neu und selbst, ohne sich zu verzetteln.
Die Kombination historischer Bilder aus verschiedenen Epochen mit den verstörenden, aber alltäglichen Aufnahmen einer Stadt, die vor allem im Sommer von einem Strom aus Touristen in KIK-Uniformen bevölkert wird, ist ein überwältigend einfacher und wirkungsvoller Kunstgriff – aus der Realität geboren. Der Film sieht nur von außen wie eine Fleißarbeit aus. Er ist pures Vergnügen. Aber trotzdem: Ohne Fleiß kein Preis."
„Der Lokführer"
„Sechsmal hat er es erlebt. Der Lokführer. Sechsmal hat er ertragen müssen, wie Menschen sich vor seinen Zug geworfen haben, um sich das Leben zu nehmen. Seine erschütternde Geschichte erzählt uns eine nüchterne Stimme, die beim Angeln am See verortet ist.
Auf der visuellen Ebene ist der Film minimalistisch und besteht aus feinen Pinselstrichen, die sich unaufhörlich zu neuen Bildern formieren. Ausschnitte von Schlüsselmomenten tauchen kurz auf, um der Fantasie eine Idee von den realen Momenten zu geben, um sich dann in etwas Anderes zu verwandeln. Und dabei sind es vor allem die Übergänge, die dem Film Struktur geben und dem Zuschauer ermöglichen sich zeitlich zu verorten und sozusagen in der Zeit zu reisen – sanft wechseln wir von einer Einstellung zur nächsten und wechseln gekonnt zwischen Vergangenheit und dem Hier und Jetzt.
Christian Wittmoser und Zuniel Kim erzählen feinsinnig und mit viel Gefühl, reduziert in Form und Farbe und trotzdem mit einer sehr hohen Genauigkeit in den Bildern und Ton des berührenden Animationsdokumentarfilms."
Newcomer: Aliaksei Paluyan
„Aliaksei Paluyan, geboren 1989 in Belarus, kam 2012 nach Kassel, um Regie zu studieren, und ist geblieben. Bereits für seinen Kurzfilm „See der Freude“ bekam er 2019 den Hessischen Filmpreis für den besten Kurzfilm und gewann auch auf internationalen Festivals viele Preise. Der Film entstand während seines Studiums an der Kunsthochschule Kassel. Schon mit diesem fiktionalen Film hat er gezeigt, dass er gesellschaftlich relevante Themen in einer überzeugenden Dramaturgie und beeindruckenden Bildern auf die große Leinwand bringen kann.
Sein aktueller Dokumentarfilm „Courage“ ist sein Abschlussfilm und zugleich sein erster Langfilm. Er dokumentiert den Protest der Menschen in Belarus, wo Aliaksei Paluyan aufge-wachsen ist, gegen den Machthaber Lukaschenko im Jahr 2020. Der Film beginnt als sehr persönliches Portrait dreier belarussischer Künstlerinnen und Künstler, wird dann zu einem Zeitdokument, das nicht nur Einzelschicksale in den Vordergrund rückt. Er endet schließlich als Auseinandersetzung mit der Frage, was Kunst und Kultur in einer Diktatur bewirken können.
Der zur Berlinale 2021 eingeladene Film gehört zu den mutigsten Filmen, die gezeigt wurden. Mit Aliaksei Paluyan als Newcomer wird nicht nur ein vielversprechendes Nachwuchstalent ausgezeichnet, das sich gerade als Regisseur mit Festivalpräsenz in der nationalen und internationalen Filmlandschaft profiliert. Wir zeichnen auch eine bemerkenswerte Persönlichkeit aus."
Quelle:
www.hessischerfilmpreis.de
hfmakademie.de